extra
Mehr Freiheit, mehr Verantwortung
von stephan hutt
degerloch.info: Hallo Herr Buschmann, wie haben Sie denn Ihre Verabschiedungsfeier mit vielseitigem Programm erlebt?
Buschmann: Für mich war es sehr emotional und ich bin sehr dankbar. Die Waldschulgemeinschaft hat mich auf ganz wunderbare Weise verabschiedet: Tolle Darbietungen der Schülerinnen und Schüler wechselten mit kurzen Reden. Ich glaube, dass Publikum in der voll besetzten Sporthalle der Schule hat die Waldschulatmosphäre gespürt und sich nicht gelangweilt. Der Ausklang auf dem Schulhof ging bis Mitternacht.
degerloch.info: Nach Ihrer Tätigkeit an einem staatlichen und einem kirchlichen Gymnasium kamen Sie an eine Privatschule nach Degerloch. Wie war diese Veränderung für Sie im Rückblick?
Buschmann: Es gab unglaublich viele Gestaltungsmöglichkeiten und Freiräume. Man wird an der Waldschule nicht am Gängelband eines fernen Schulträgers geführt, sondern alle Entscheidungen können direkt in der Schule getroffen werden. Das war eine großartige Erfahrung: Mehr Freiheit, aber natürlich auch mehr Verantwortung. Das entspricht meinem Naturell.
degerloch.info: Als ich in den 60er Jahren Schüler der Waldschule war, wurden wir noch in Holzbaracken unterrichtet. Die Gebäudestruktur wurde Schritt für Schritt weiterentwickelt, inwiefern hat sich die Pädagogik verändert?
Buschmann: Es gibt eine große Konstanz bei den pädagogischen Grundentscheidungen der Waldschule: Wir sehen das einzelne Kind mit den Potenzialen. Individualität hat bei uns ihren Platz. Natürlich soll sich das auch in unseren Räumlichkeiten spiegeln. Das alte Markus-Waldheim in den 50er und 60er Jahren hatte Atmosphäre, aber es war eng. Heute müssen unsere Räume moderne Lernplätze und Orte der Gemeinschaft bieten, die auch modernes digitales Arbeiten ermöglichen.
degerloch.info: Fast 20 Jahre waren Sie Rektor der Waldschule, somit sind Sie der Schulleiter, der am längsten im Amt war ...
Buschmann: Das stimmt bezüglich der Degerlocher Zeit der Waldschule seit 1952. Eingezogen ist 1952 aber am Degerlocher Standort die "Private Oberschule Mozer", die es schon seit 1872 gab. Zum 1. Januar 1954 gab sich diese alte Schule nur den neuen Namen "Waldschule Degerloch". In der Frühzeit der Schule gab es zwei Schulleiter mit Amtszeiten über 20 Jahren. Somit stehe ich auf dem dritten Platz. Entscheidend ist aber, dass sich Schulen nur sehr langfristig entwickeln lassen. Da braucht man einen langen Atem und eine Vision. Ständig wechselnde Schulleitungen und kurze Amtszeiten sind sehr schädlich für die Schulentwicklung. Insofern haben meine 19 Jahre vermutlich genutzt.
degerloch.info: Das erste Abitur unter ihrem Vorgänger Detlef Horst im Jahr 2000 war sicherlich ein wichtiger Meilenstein in der Schulgeschichte. Was waren die wichtigsten Entwicklungsschritte Ihrer Amtszeit?
Buschmann: Ein erster grundlegender Schritt war 2007 die Einrichtung des Realschulaufsetzers. Damit haben wir den Weg zum Abitur über die Realschule attraktiv gemacht und damit zwei stabile parallele Wege zum Abschluss an der Schule geschaffen. 2018 haben wir die Grundschule gegründet und somit bieten wir ein komplettes allgemeinbildendes Schulsystem von Klasse 1 bis 13 an der Waldschule.
degerloch.info: Privatschulen finanzieren sich über Schulgeld, Spenden und staatliche Zuschüsse. Wie steht es um die Zukunft der Privatschulen?
Buschmann: Privatschulen sichern die Vielfalt im Schulsystem. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir weiterhin eine attraktive Alternative zum staatlichen System sind. Wir haben in Baden-Württemberg ein komplexes System der staatlichen Förderung der Privatschulen, das dynamisch auf die Entwicklung der Kosten reagiert. Das ist sehr gut. Alleingelassen sind wir bei den Gebäudesanierungskosten. An der Waldschule sieht man, dass man das aber hinkriegen kann, wenn man klug und langfristig plant.
degerloch.info: Sie sind seit 1990 Mitglied der FDP und haben sich seit dem Jahr 2000 auch immer wieder für Ihre Partei engagiert. Außerdem waren Sie ehrenamtlich tätig. Wie konnten Sie das alles mit Ihrer Tätigkeit als Schulleiter in Einklang bringen?
Buschmann: Ich brauche wenig Schlaf und stehe in der Regel um 3.30 Uhr auf. Meine ehrenamtlichen Tätigkeiten ergänzen sich gut mit meiner beruflichen Aufgabe. Und ich glaube, dass ich einen ganz flotten Arbeitsstil habe und dann auch rasch entscheidungsfähig bin.
degerloch.info: Ruhestand ist kein Stillstand, sondern die Gelegenheit das Leben von einem anderen Blickwinkel aus zu betrachten, stand auf der Einladungskarte zu Ihrer Abschiedsfeier. In welche Richtung bewegt sich denn Ihr Blickwinkel?
Buschmann: Meine Frau und ich gehen gleichzeitig in den Ruhestand. Beide hatten wir sehr verantwortliche berufliche Aufgaben und wollen nun mehr gemeinsame Zeit haben. Meine Ehrenämter (Gemeinderat, Regionalrat, dort Fraktionsvorsitzender, Vorsitzender des Vereins Beth Shalom Remseck) werde ich weiterführen. Ich freue mich sehr auf mehr Zeit für das Lesen, Kochen, Sporttreiben und Reisen.
Vita
Kai Buschmann
* Alter: demnächst 62
* Familienstand: verheiratet
* Beruf: Schulleiter
* Wohnort: Remseck am Neckar
* Ehrenämter: Stadtrat in Remseck, Regionalrat und Fraktionsvorsitzender in der Regionalversammlung, Vorsitzender von Beth Shalom. Verein für Erinnerungs- und Friedensarbeit in Remseck e.V.
* Hobbies: Lesen, Kochen, Forschungen zur Lokalgeschichte, Gartenarbeit, Fernwandern (in Etappen unterwegs seit 2008 von Remseck nach Jerusalem, im Moment Westgriechenland erreicht)
* Lebensmotto: "Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist". Das habe ich bei vielen Schulkarrieren erlebt, aber auch 1989/90 in der Politik.