Blickpunkt
von Ingo Kluge
Produkt einer Bierlaune
Vor 30 Jahren wurde die erste Ausgabe des Degerloch Journal in die örtlichen Briefkästen verteilt. Eine Degerlocher Kult-Kneipe und diverse Bierchen spielten dabei eine wichtige Rolle."Domus" und "Zacke". Wenn diese Degerlocher Lokale ins Gespräch kommen, spitzen so manche die Ohren, die in den 70er und 80er Jahren noch als Jugendliche unterwegs waren. Dort wo heute die Sparda-Bank ihre Kunden berät, lockte das "Domus" unter der Regie von Joschi Hodina und Uli Gebhardt die Jugend aus Degerloch und Umgebung an.
Einige hundert Meter weiter, im alten Zahnradbahnhof hatten Hilde und Gerhard Dupont das Sagen. Oft sehr rau, und selten etwas herzlich. Eigentlich hieß die Kneipe "Zacke" (Bild), aber manche nannten sie auch "13". Die Meinungen über den Namen gingen auseinander. Die einen glaubten, dass die 13. Halbe gratis war, andere führten den Namen auf die "Linie 13" zurück, mit der die "Zacke" früher den Berg rauf und runter tuckelte.
Ohne die "Zacke" - kein Degerloch Journal. Das ist Fakt, darin sind sich Stephan Hutt (Bild, zweiter von li.) und Thomas Schulz, der die damals legendäre Kneipe in seinem neuen Buch "Café Spontan" sehr detailliert beschreibt, einig. Es war das Jahr 1986 als sich die beiden Zeitungsleute, die für Blätter des Motor Presse Verlages in Stuttgart tätig waren, zufällig im "Zacke" trafen. Nach ein paar Bierchen war schnell klar, was die beiden vor hatten - eine gemeinsame berufliche Zukunft in der Selbstständigkeit. Ohne Vorgesetzte, und um einfach das machen, worauf man Lust hatte.
Die ersten Ideen dieses Abends fielen nicht der bierseligen Stimmung zum Opfer, sondern wurden ein paar Tage später auf einer Prioritätenliste festgehalten. Ganz weit oben stand ein Stadtteil-Magazin für Degerloch - jenem Stadtbezirk, den beide in- und auswendig kannten. Das Magazin sollte einen modernen Namen erhalten und bunt aufgemacht im handlichen Format auf ansprechendem Papier gedruckt werden. Den Lesern wollte man lokale Beiträge präsentieren, die sie weder in der Tageszeitung noch in irgendwelchen Anzeigenblättern fanden. Total lokal eben.
Das Konzept war schnell gefunden, jetzt brauchte es noch einen Partner für Anzeigen und Vertrieb, der mit dem AMW Verlag gefunden wurde. Hutt und Schulz wussten aber auch, dass sie örtliche Unterstützung brauchten. Ohne Rolf Reihle, den damaligen Vorsitzenden des Gewerbe- und Handelsverein Degerloch (GHV) könnte das Stadtteil-Magazin heute nicht auf das zurückblicken, was aktuell Thema ist: 30 Jahre Degerloch Journal.
Kommentare
Kommentar von Fryni Papadopoulou |
Zu dem Beitrag "Produkt einer Bierlaune" - vom 26.4.2018
Danke, dass wir nicht vergessen worden sind.
Fryni Papadopoulou
Ehemalige Domus-Wirtin
Kommentar von Stapel |
Zu dem Beitrag "Produkt einer Bierlaune" - vom 26.4.2018
Das Magazin ist von Anfang bis heute toll und informativ. Nur leider bekommen wir es nicht mehr in die Albstrasse. Wäre schön wenn Sie Abhilfe schaffen könnten.
Hanne Stapel
Kommentar von Thomas Schulz |
Zu dem Beitrag "Produkt einer Bierlaune" - vom 26.4.2018
As Time goes by
Für mich steht das "Zacke" stellvertretend für einen ganzen Lebensabschnitt und leider auch für eine untergegangene Kneipenkultur. Wo frü-her kantige Originalität, halblegales Improvisationstalent und auch eine gewisse sympathische Sturheit der Kneipeninhaber Teil der Einrichtung waren, sehen wir heute routiniert freundliche, strömungsgünstige Betreiber, die alles richtig machen und mit "Hallo! oder "Hi" grüßen. Wo früher bis unter die Decke Schwaden aus Selbstgedrehten waberten, muss man heute zum Rauchen fast bis in einen anderen Stadtbezirk wandern. Wo es früher Männerklos gab, die aussahen wie meuchelige Luftschutzkeller, blenden heute strahlend weiße Kacheln den Hipster mit zwiebelbollenartiger Haartracht. Wo früher diskutiert wurde, bis die rhetorischen Fetzen flogen, tippt man heute kopfgebeugt auf dem Smartphone herum, um über Whatsaff Sushi-Fotos zu verschicken.
Bei allem Respekt vor aktuellen keimfreien Kneipenszenen: Die vielbeschworene Aufbruchstimmung der Nach-Achtundsechzigerzeiten war vielleicht nicht immer eindeutig zielgerichtet. Aber dieser charmante grundlose Optimismus im "Zacke" und recht vielerorts war der Nährboden für ungewöhnliche Ideen. Und die führten dann gelegentlich doch zu ungewöhnlichen und erfolgreichen Ergebnissen, das "Degerloch Journal" nur als ein Beispiel. Da die Inspiration dann einsetzt, wenn der Verstand aussetzt, dann war jedes einzelne der vielen Biere, rückblickend gesehen, in gewisser Weise auch unbezahlbar. Dem "Zacke" deshalb ein virtuelles Denkmal.
Thomas Schulz, 68 + 1
Mitgründer des Degerloch Journals
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