Blickpunkt
von Felix Reiser
Blick(e) in die Zukunft
Ende Mai geht die 15-jährige Ära von Joachim Rudolf als Gemeinderat der CDU zu Ende. Felix Reiser hat mit dem Degerlocher Geschäftsmann über die Entwicklung und Herausforderungen unseres Stadtbezirkes gesprochen.DJ: Herr Rudolf, nach 15 Jahren scheiden Sie aus dem Gemeinderat aus. Keine Lust mehr, Stuttgart mitzugestalten?
Rudolf: Es hat zeitliche Gründe. Ich habe mit meinem Bruder eine zweite Firma am Bodensee gegründet, dazu kommt mein anderes Ehrenamt als Landesvorsitzender des Wirtschaftsrates der CDU.
DJ: Nur zeitliche Gründe?
Rudolf: Nein. Im Gemeinderat selbst ist es inzwischen aufgrund der Rechten und Linken zusehenst schwieriger, Mehrheiten zu finden, um die Stadt weiterzuentwickeln. Es braucht in dem Gremium aber mehr Kompromisse.
DJ: Kommen wir zu einem Degerlocher Dauerthema: der Verkehrsanbindung der Tränke an die B 27.
Rudolf: Ich spreche mich nach wie vor für den beidseitigen Vollanschluss aus. Das verstehe ich auch als Wirtschaftsförderung für die ansässigen Firmen. Ich weiß, dass ich damit anderer Ansicht bin als manche im Vorstand des Gewerbe- und Handelsvereins (GHV). Wir werden uns auf lange Sicht allerdings mit dem Dreiviertel-Anschluss zufriedengeben müssen, was eine deutliche Verbesserung zum Status quo ist.
DJ: Um die Tränke abzuhaken - braucht's die Ansiedlung der AWS im Gewerbegebiet?
Rudolf: Ich hätte mir gewünscht, dass man das frei werdende Gelände sinnvoll für Firmen aus der Region weiterentwickelt. Andererseits erkenne ich das Dilemma der Stadt mit dem Müllaufkommen im Filderbereich. Es geht jetzt um eine maßvolle Ausführung und um minimale Belastung für Anwohner und ansässige Firmen.
DJ: Kommen wir zum Verkehr. Was halten Sie von dem geplanten Konzept mit Shared Space in der Epplestraße und wie realistisch ist die Umsetzung?
Rudolf: Ganz wichtig ist, dass der direkte Weg in das Ortszentrum und somit auch der Zielverkehr zum örtlichen Einzelhandel erhalten bleibt. Das gilt für alle Verkehrsteilnehmer. Wie die Mobilitätskonzepte hierfür aussehen, ist noch offen. Man muss in diesem Zusammenhang auch die Parkplatzsituation sehen, denn die ist für den örtlichen Einzelhandel elementar. Shared Space in der Epplestraße finde ich gut, bis es so weit ist, gehen aber noch einige Jahre ins Land.
DJ: Der Erste Bürgermeister Michael Föll hat sich kürzlich im Bezirksbeirat zu einem neuen Bürgerzentrum geäußert. Im Gespräch ist ein Neubau anstelle des Alten Wannenbades in Verbindung mit der Alten Scheuer.
Rudolf: In diese Richtung wird es gehen. Der Erfolg hat aber immer mehrere Väter. Ich habe mich schon vor langer Zeit gegen die Sanierung des Treffpunktes Mittlere Straße ausgesprochen, weil er nicht sanierbar und verkehrstechnisch schlecht zu erreichen ist.
Deshalb bietet es sich an, hier mit Wohnungsbau zu planen. Was die Einbindung der Alten Scheuer in ein neues Bürgerzentrum am Agnes-Kneher-Platz betrifft, kann ich nur befürworten.
DJ: Da machen Sie aber die Rechnung ohne den Förderverein Degerloch, dem das Gebäude gehört.
Rudolf: Der Förderverein wird die Alte Scheuer aufgrund der laufenden Kosten und den zu erwartenden Sanierungen auf Dauer nicht halten können.
DJ: Vergessen Sie hierbei nicht, dass die Mitglieder des Fördervereins darüber abstimmen müssen, wie es mit der Alten Scheuer weitergeht, und dass Degerlocher Privatpersonen mit Spenden und örtliche Firmen mit großem, teilweise ehrenamtlichem Engagement zur Sanierung des historischen Gebäudes beigetragen haben?
Rudolf: Das vergesse ich nicht, und die Würdigung muss diesbezüglich erhalten bleiben. Es ist aber eine für Degerloch sinnvolle Lösung, die anstehenden Kosten und auch die Verwaltung des Gebäudes in die Hände der Stadt zu legen. In einer zukünftigen Stiftung für die Alte Scheuer ist dann auch der Förderverein Degerloch vertreten.
DJ: Und wenn dessen Mitglieder sich gegen eine Übernahme durch die Stadt aussprechen?
Rudolf: Dann ist der Knoten durchschlagen und es bleibt alles, wie es ist. Man muss den Mitgliedern die Vorzüge, die auch in der zukünftigen Nutzung der örtlichen Vereine liegen, plausibel präsentieren.
DJ: Gehen wir in die Felix-Dahn-Straße. Sie waren nie ein Freund einer Aldi-Ansiedlung ...
Rudolf: Aldi war ja schon in Degerloch und hätte bleiben können.
DJ: Ja, richtig, aber die Zeiten haben sich geändert. Ein Discounter braucht heute mehr Verkaufsfläche.
Rudolf: Darin liegt ja eines der Probleme. Heute verkaufen Aldi und Lidl Schlitten, Skihosen, Wanderjacken, PCs und vieles mehr. Ferner decken sie das Sortiment von Rewe und Edeka mit ab. Somit treten sie in Konkurrenz zu den kleinen Fachgeschäften und den großen Filialisten. Ich gehe davon aus, dass wir einen örtlichen Discounter sowie einen Bio-Laden verlieren würden.
DJ: Wie man inzwischen hört, soll es nach dem Verkauf des Grundstückes in der Felix-Dahn-Straße durch die Stadt eventuell zu einer rein inklusiven Wohnbebauung kommen. Allerdings ohne öffentliche Parkplätze.
Rudolf: Die Bebauung der Parkplatzfläche in der Felix-Dahn-Straße kann ich befürworten bei gleichzeitigem Erhalt des Parkplatzangebotes. Ich bin aber auch nicht grüner als die Grünen, deshalb darf die Rasenfläche zwischen Parkplatz und Polizei nicht für eine Bebauung geopfert werden.
DJ: Die Ladengeschäfte sind auf öffentliche Parkplätze angewiesen. Wie sehen Sie den örtlichen Einzelhandel, der einer Aldi-Ansiedlung ja gespalten gegenübersteht?
Rudolf: Wir haben Glück, dass der örtliche Einzelhandel noch funktioniert und der Mix stimmt. Das Überleben der Ladengeschäfte hängt aber mit der Parkplatzsituation zusammen, und die darf sich nicht verschlechtern.
DJ: Ein Shared Space in der Epplestraße kostet aber ebenso Parkplätze wie eine rein inklusive Wohnbebauung in der Felix-Dahn-Straße.
Rudolf: Das ist richtig und kann meiner Meinung nach so nicht laufen. Die wegfallenden Parkplätze in einer erweiterten Tiefgarage unter dem Agnes-Kneher-Platz unterzubringen, halte ich nicht für konstruktiv, sie schadet den Firmen in der oberen Epplestraße. Eine Tiefgarage unter der Grünfläche in der Felix-Dahn-Straße halte ich da für wesentlich konstruktiver.
DJ: Der Einzelhandel in den Stadtbezirken steht vor großen Herausforderungen. Was müsste vor Ort passieren, damit Degerloch ein attraktiver Einkaufsort bleibt?
Rudolf: Ganz wichtig finde ich, dass sich die Geschäftswelt als Einheit präsentiert und als Partner der Bürger sowie der lokalen Medien auftritt, denn diese präsentieren Handel und Gewerbe in Degerloch immer noch am besten. Was die Auftritte der Fachgeschäfte vor Ort betrifft, ist alles etwas Stückwerk geworden.
DJ: Was müsste sich diesbezüglich ändern?
Rudolf: Ein Jubiläumsfest und ein verkaufsoffener Sonntag sind in der heutigen Zeit und bei der auswärtigen und digitalen Konkurrenz zu wenig, um die Mitbürger zu erreichen. Ich denke an ein Gesamtkonzept mit mehreren Aktionen und Events, beispielsweise einem mehrwertsteuerfreien Verkaufsabend oder eine Aktion mit Kindern. Die Degerlocher leben gerne hier, man muss sie abholen.
DJ: Kommen wir zum Schluss. Was sind die wichtigsten Aufgaben für die Entwicklung Degerlochs in den nächsten Jahren?
Rudolf: Ganz klar, das neue Bürgerzentrum, aber auch die Entwicklung der Sportgebiete Waldau und Hohe Eiche. Dann natürlich die Umsetzung des lange geforderten Verkehrskonzeptes sowie die Stabilisierung des örtlichen Einzelhandels.
INFO:
Joachim Rudolf
Alter: 53
Familienstand: Verheiratet, zwei Kinder
Beruf: Bankkaufmann
Tätig als: Geschäftsführer Rudolf Lichtwerbung
Ehrenamt: 12 Jahre Bezirksbeirat, 15 Jahre Gemeinderat,
aktuell Vorstand Wirtschaftsrat der CDU in BW
Hobbys: Skifahren, Fußball, Freizeit auf dem Wasser
und in den Bergen
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