Blickpunkt
von Felix Reiser
Die ungesühnte Tat
Am 18. Oktober 1992 wurde der Tankstellen-Mitarbeiter Tony Verhaar an der Shell-Station Obere Weinsteige erschossen. Auch 25 Jahre nach der Tat ist der Mörder noch auf freiem Fuß.55 ungeklärte Morde gibt es in Stuttgart seit Kriegsende. Dazu gehört auch jene Tat, die sich vor 25 Jahren am Sonntag, den 18. Oktober, 22.35 Uhr in Degerloch an der Shell-Tankstelle Obere Weinsteige abspielte. Mitarbeiter Tony Verhaar machte die Kassenabrechnung, knipste das Licht im Verkaufsraum aus und wollte die Tür abschließen. Dann fiel im Dunkel der Nacht ein Schuss, der viele Anwohner aufschreckte. Nur einige Meter von seinem Arbeitsplatz entfernt, brach der 44-jährige Mitarbeiter von Tankstellen-Pächter Eckhard Marquardt zusammen - der Schuss hatte ihm das Herz zerfetzt.
"Die Chancen, den Fall doch noch aufzuklären, stehen nicht besonders gut", sagte der inzwischen pensionierte Kriminalhauptkommissar Hans-Peter Schühlen im Frühjahr bei der Präsentation seines Buches "Stuttgarter Tatorte". Der angeblich 20 bis 25 Jahre alte und etwa 1,80 Meter große Täter, der sich eine dunkle Skimütze über den Kopf gezogen hatte, wurde vor dem tödlichen Schuss am Tatort gesichtet, die Kripo tappte aber trotzdem im Dunkeln. Bekannt ist allerdings die Tatwaffe - eine ungarische Pistole des Typs FEG Makarov, Modell PA 63, Kaliber neun Millimeter. Am Abzug und am Hahn hat die Waffe Durchbohrungen und weist somit deutliche Merkmale auf, die sie von anderen Pistolen unterscheidet.
Über das Tatmotiv gibt es heute noch unterschiedliche Meinungen. "Tony Verhaar war ein ganz normaler Bürger, freundlich, beliebt und er hatte eine feste Beziehung", sagte damals Kriminalhauptkommissar Jürgen Beck, der den Fall bearbeitete. Er vermutete einen schiefgelaufenen Raubüberfall. Eckhard Marquardt, der vor 25 Jahren nachts aus dem Bett geklingelt wurde und zum Tatort eilte, ist nach wie vor anderer Meinung. Er glaubt eher an einen Racheakt aus dem privaten Bereich, denn sein Mitarbeiter war homosexuell. "Der Täter konnte kein Geld stehlen, denn das kam stündlich weg, außerdem war es an diesem Abend schon im Keller-Tresor und der Verkaufsraum war nicht mehr beleuchtet", blickt der Ex-Tankstellen-Betreiber zurück.
Aufgrund neuer Technologien werden inzwischen auch nach 20 bis 30 Jahren wieder Mordfälle aufgeklärt. Das war auch zuletzt das Arbeitsgebiet von "Katakomben-Kommissar" Hans-Peter Schühlen. Sollte es neue Erkenntnisse geben, ist inzwischen Frank Tischner für den Fall zuständig. "Die Sache ist nicht abgeschlossen, Mord verjährt nicht", sagt der Kriminalhauptkommissar und ergänzt, dass es außer den gesicherten Spuren keine neuen Tathinweise gibt. Der Täter sollte sich aber nicht zu sicher fühlen, denn es bleibt eine kleine Chance, auch in diesem Fall die Nadel im Heuhaufen zu finden.
"Man kann das nie ausschließen. Wenn das der Fall sein sollte, gehen wir zusammen ein Bier trinken", sagte Kriminalhauptkommissar Jürgen Beck fünf Jahre nach der Tat zu unserem Redakteur. Bis heute ist das leider nicht eingetreten, aber wer weiß - vielleicht spuckt der Heuhaufen die Nadel noch aus. Das wäre dann 25 Jahre nach der Tat wahrlich ein ganz besonderes Bier.
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