Blickpunkt
von Felix Reiser
Degerlocher Trümmermord
Das Buch "Stuttgarter Trümmermorde" schildert auf nie dagewesene Weise den Degerlocher Entführungs- und Mordfall Joachim Göhner.Insider erzählen aus ihren beruflichen Erfahrungen von Gier, Geld, Rache und Befriedigung. Nach Kriminalhauptkommissar Hans Peter Schühlen mit den "Stuttgarter Tatorten" hat sein ehemaliger Chef das Buch "Trümmermorde - Spektakuläre Verbrechen im Stuttgart der Nachkriegszeit" veröffentlicht.
Michael Kühner, erfahrener Kriminalist und ehemaliger Leiter der Stuttgarter Mordkommission, gewährt in den "Trümmermorden" einmalige Einblicke in polizeidienstliche Akten der Nachkriegszeit von 1945 bis 1958. Anhand von sieben authentischen Mordfällen skizziert er die Verbrechen und Schicksale von Tätern, Opfern und Angehörigen. Der Autor zeichnet ein unverkennbares Bild der Arbeit junger Kriminalbeamter, die sich ohne Fachausbildung und Erfahrung der Verbrechensaufklärung verschrieben hatten.
Kühners Buch schließt mit dem fast 30 Seiten langen Kapitel "Der erste Kidnapping-Fall in Deutschland". Dass sich dieses Verbrechen zwischen Degerloch und dem Sonnenberg abspielte, ist weit bekannt. Allerdings wurde der Entführungsfall Joachim Göhner (Bild unten) noch nie so präzise mit allen Details und nie gesehenen Fotos veröffentlicht. Am 25. April 1958 entführte Emil Tillmann (Bild oben) den sechsjährigen Degerlocher mit dem Fahrrad, um ihm Rehe zu zeigen, und erwürgte ihn anschließend im Haldenwald im Sonnenberg. Danach forderte der Täter von Vater Göhner 15 000 Mark Lösegeld. Somit war das Tatmotiv eindeutig, die Geldübergabe des erpresserischen Menschenraubes ist allerdings zwei Mal grandios gescheitert. Durch eine Radio-Veröffentlichung von Tillmanns Stimme kam die Mordkommission dem Täter schließlich auf die Spur.
Das Kapitel zu dem Degerlocher Entführungsfall bringt reichlich Lokalkolorit mit sich. Joachim Göhner lebte mit seinem Vater und seinem älteren Bruder in der Löwenstraße zwischen Wald- und Reutlingerstraße. Tillmann bewohnte ein Zimmer in der Jahnstraße, seine Freundin, die er heiraten und verwöhnen wollte, wohnte in der Wurmlinger Straße. Einen Tag vor seiner Festnahme begab sich der Kindesmörder in das Café Klein in der Epplestraße, wo sich heute die dm-Filiale befindet, und informierte sich aus der Zeitung über die neueste Entwicklung im Entführungsfall Göhner. Einen Monat nach der Tat erhängte sich Tillmann in seiner Zelle der Polizeihaftanstalt im ehemaligen Hotel Silber. Hinterlassen hat er Degerloch eine Geschichte, die die Menschen noch heute bewegt.
Buch-Info
Stuttgarter Trümmermorde, Michael Kühner, Gmeiner Verlag, Hardcover, 192 Seiten, 20 Euro
Kommentare
Kommentar von Sylvia Körner |
Zu dem Beitrag "Degerlocher Trümmermord" - vom 20.11.2017
Joachim Göhner ist mit mir in den Kindergarten gegangen, ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, als uns Tante Elfriede erzählte, dass er nicht nach Hause gekommen war, und ob ihn jemand gesehen hätte. Ich hab auch immer noch vor Augen, wie meine Mutter und ich vor dem Radio standen und dieser Stimme lauschten.
Danach war alles anders: Ich wurde wieder in den Kindi gebracht, und als ich dann mal in der Schule nachsitzen sollte, hab ich nur geheult. Mir war klar, dass sich meine Mutter furchtbar gesorgt hätte, wenn ich nicht pünktlich heimgekommen wäre. Meine Erinnerung an Joachim ist die, dass er mir mal ein orangenes kleines Plastikköfferle geschenkt hat, darin waren so aus Papier von ihm ausgeschnittene Spitzendeckchen drin. Ich bin inzwischen 65 Jahre alt, aber diese tragische Geschichte werde ich nie vergessen!!!
Sylvia Körner
Kommentar von Rolf Zimmermann |
Zu dem Beitrag "Degerlocher Trümmermord" - vom 20.11.2017
Im damaligen Fernsehen wurden immer "Stahlnetz" Folgen gezeigt. Da gab es mal eine Folge, welche auf dieses Schicksal einging. Sie lautete "Rehe". Ich habe diese Folgen mal käuflich erworben.
Rolf Zimmermann
Kommentar von Peter |
Zu dem Beitrag "Degerlocher Trümmermord" - vom 20.11.2017
Bei der Aufklärung im Mordfall Joachim Göhner durfte ich mitwirken. Die Lösegeldforderungen gingen telefonisch beim Roten Kreuz in der Nikolausstraße 6a in Stuttgart ein. Ich installierte damals dort eine Telefonanlage (mein Beruf).
Da bat mich ein Kripobeamter ich möchte ihm einen Abhöradapter bauen um die Anrufe des Entführers aufzeichnen zu können. Das tat ich dann auch. Der Entführer verriet sich durch einen Sprachfehler. Er forderte das Geld in Wellplappe statt Wellpappe zu deponieren. Seine Gärtnerkollegen erkannten ihn daran, worauf es zuz Anzeige kam.
Peter Rieger
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