Blickpunkt
von Felix Reiser
Hermles sagen tschüss
Nach zehn Jahren beenden Sabine und Bruno Hermle ihre Tätigkeit als Wirte der Pilsstube Ritter am Albplatz. Ein Nachfolger steht noch nicht fest.Der Countdown läuft: Noch vier Wochen, dann ist die Ära der Hermles in der Kneipe mit dem legendären Namen beendet. Die Pilsstube Ritter ist das Relikt des historischen Gasthofes Ritter, in dem am 22. April 1945 die Stadt Stuttgart an die Franzosen übergeben wurde. Nach dem "Holzkrug" ist die Schankwirtschaft bereits das zweite Lokal im ersten Halbjahr in Degerloch, in dem Wirte im Ortszentrum die Segel streichen. Und es dauert nicht mehr lange, bis mit Rudolf Schmölz im "Fässle" ein weiterer folgt.
"Das Geschäft ist schwieriger geworden. Nur Bier ausschenken reicht nicht, man muss sich etwas einfallen lassen", sagen die Rittersleut und machen deutlich, "dass die Kosten im Laufe der Jahre enorm gestiegen sind und auch Investitionen anfallen". Mit viel Enthusiasmus und Leidenschaft haben sie im Sommer 2006 losgelegt, als Vorgänger Meinrad Breit, genannt "Archie", den Weg freimachte. "Eine Kneipe war schon immer mein Wunsch und ganz spontan hat es sich dann einfach so ergeben", sagt "Ritter Bruno" und erwähnt dabei, dass ihm sein Freund Frieder Karsch, der von Anfang bis heute zu den Top-Stammgästen zählt, den entscheidenden Tipp gegeben hat.
Nur Bier ausschenken war nie das Konzept des Wirtepaares. Am Anfang wurde noch gekocht, und an dem Rostbraten, den Bruno seinen Gästen servierte, konnte sich so mancher Kollege eine Scheibe abschneiden. So lief es auch mit der Livemusik. Anfangs waren es mehr Solisten, die das Klavier in der Ecke bearbeiteten, später musizierten Gruppen wie "Strippenzieher", "Soulshapes" und "L'acoustique" für die Gäste, von denen viele den Hermles über all die Jahre treu geblieben sind.
Diesbezüglich gab es aber auch Veränderungen. Gäste, die sich zuvor im Besen vergnügt haben kommen nicht mehr so oft wie früher zu später Stunde in größeren Gruppen. Dafür haben jugendliche Gäste ab 22 Uhr den Ritter für sich entdeckt. Und Prominente wie Arbeits- und Sozialministerin Katrin Altpeter, der Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann und die Produktionsgruppe der TV-Serie "Soko Stuttgart". Sie fühlten sich wohl in der Kneipe, die 2009 mit dem baden-württembergischen Gastro-Award für Schankhäuser ausgezeichnet wurde.
Ein komisches Gefühl ist schon dabei, wenn die Hermles an ihr Ritter-Ende denken. Mit Livemusik der Soulshapes am Samstag, den 30. April und L'acoustique am Freitag, den 27. Mai lässt sich die Wehmut etwas lindern, bevor eine neue Zeit anbricht. Zuerst zwei Wochen alles sacken lassen, dann geht's ab gen Osten. Dresden, Leipzig, Rostock, Wismar, Stralsund und zum Abschluss ein paar Tage Berlin stehen auf der Reiseroute. "Das ist ein lang gehegter Wunsch von uns", sagt Sabine Hermle, die auch nicht verschweigt, "dass die Nachtarbeit an den Kräften gezehrt hat". Und die ist jetzt definitiv passé bei den Rittersleut.